KARODUR-Gruppe

Mach 3 in Oberlar

Neuer Artikel aus der Reihe „Kompetenz in Kunststoff“ der TROWISTA prĂ€sentiert:
die KARODUR-Gruppe aus Troisdorf Oberlar

Inhaber Ulrich Hensellek mit einem typischen Wirkteller in der Farbe rot

MITTWOCH, 26. JUNI 2024
Mit dreifacher Schallgeschwindigkeit bahnt sich ein 0,9 Millimeter dĂŒnner Wasserstrahl den Weg durch 20 cm dickes Titan. Was sich anhört, wie aus einem Comic entnommen, ist bei der Firma Karodur in Troisdorf-Oberlar harte RealitĂ€t.
Ein Gabelstapler schießt um die Ecke. Zum GlĂŒck mit Unterschallgeschwindigkeit. Ein Mitarbeiter springt heraus. Falsch. Es ist der Chef selbst, Ulrich Hensellek, Jahrgang 1960, Inhaber, GrĂŒnder und hauseigene Forschungsabteilung.
Dipl.-Ing. Ulrich Hensellek, passionierter Springreiter, wartet nicht, er gibt die Sporen. Schon damals, nach dem Studium, als Angestellter von Dynamit Nobel, dem ehemals weltweit fĂŒhrenden Kunststoff-Unternehmen, gingen ihm viele Dinge nicht schnell genug. Er wechselte das „Pferd“ und machte sich selbststĂ€ndig. Neue Hindernisse warteten. Nach wenigen Jahren war er WeltmarktfĂŒhrer fĂŒr Wirkteller, einem Produkt fĂŒr die Backindustrie. Parallel eignete er sich die Technologie des Wasserstrahlschneidens an und gehört damit zu den Pionieren in Deutschland. Ein weiterer Teil seines Unternehmens stellt Pressplatten her, die einzige Produktion in Europa. Der Parcours ist noch groß und Hensellek sucht die nĂ€chsten Hindernisse. Er wartet nicht.

Schneiden mit Wasser

„Es gibt nicht viele Unternehmen, die ein Ă€hnliches Repertoire beim Wasserstrahlschneiden anbieten wie wir“, ruft er im Vorbeigehen. UrsprĂŒnglich stammt die Technik des Schneidens mit einem hochkomprimierten Wasserstrahl aus dem nordamerikanischen Tagebau. Auch beim GoldschĂŒrfen wurde sie angewendet. Danach interessierte sich das MilitĂ€r fĂŒr die Technik und seit rund 30 Jahren gibt es kommerzielle Anwendungen auf dem Weltmarkt. Karodur schneidet seit 20 Jahren mit dem Wasserstrahl und hat einige Entwicklungen auf diesem Gebiet vorangetrieben. Gemeinsam mit einem der grĂ¶ĂŸten und innovativsten Wasserstrahlspezialisten der Branche, der „Water Jet Sweden AB“, verbindet Karodur mehr als eine GeschĂ€ftsbeziehung. Ein persönlicher Freund war der ehemalige GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Unternehmens, der vor einigen Jahren starb. „Gemeinsam haben wir die 3D-Schneidtechnik entwickelt. Karodur war damit das erste Unternehmen in Deutschland, das Objekte nicht nur zweidimensional trennen, sondern auch rĂ€umlich Konturen ausschneiden konnte. Die Steuerungssoftware haben wir mit einem französischen Unternehmen entwickelt. Die gab es bis dato nicht“, erlĂ€utert Hensellek.
GrundsĂ€tzlich unterscheidet man zwei Verfahren: Beim ersten ist Wasser das Schneidmedium. Dies eignet sich besonders fĂŒr weiche Materialien wie Schaumstoffe, Gummi oder Ähnliches. Das zweite ist das sogenannte „Abrasiv-Verfahren“. Hier werden dem Wasser in einem Venturi-Mischprinzip (Ă€hnlich wie im Autovergaser) abtragende Stoffe beigemischt, meistens Granatsand. Karodur arbeitet je nach Anforderung mit eigenen Mischungen verschiedener KorngrĂ¶ĂŸen aus unterschiedlichen HerkunftslĂ€ndern. Mit 4.500 bis 6.000 bar Druck wird diese Wasser-/Sand-Mischung dann durch ein Fokussierrohr gepresst (Ă€hnliche Wirkung wie in einem Gewehrlauf) und ein 0,7 bis 1,5 mm breiter Wasserstrahl trennt das darunterliegende Material. Hensellek: „So können wir harte Materialien wie Titan oder Keramik bis zu einer Dicke von 30 cm schneiden.“ Kunden sind Unternehmen der Medizintechnik, aus der Lebensmittelindustrie, der Sicherheitsbranche oder beschĂ€ftigen sich mit Maschinen- und Stahlbau.
Einige Karodur-Kunden dĂŒrfen nicht genannt werden, weil sie geheime Forschungsprojekte durchfĂŒhren, neue Entwicklungen testen oder Grundlagenforschung betreiben. „So kam es schon mal vor“, erzĂ€hlt Hensellek, „dass wir eine 2 mm dicke Platte aus einem keramikĂ€hnlichen Material erhielten, die wir gerade noch schneiden konnten. NatĂŒrlich interessierte uns die Zusammensetzung, aber die haben selbst wir nicht erfahren.“

Pressen im Verbund

Gerade bei den Verbundwerkstoffen ist ein anderer Zweig der Karodur-Gruppe sehr hilfreich: die Karodur-Pressplatten. Einziger Hersteller von PVC-Pressplatten in Europa und bei gepressten PVC-Platten bis 100 mm und darĂŒber einer der wenigen weltweit: „Viele Kunden schĂ€tzen neben unserer Kompetenz auch unsere BetriebsgrĂ¶ĂŸe und unsere Diskretion“, betont Hensellek: „So werden wir sehr frĂŒhzeitig bei neuen Entwicklungen von Verbundwerkstoffen hinzugezogen, beispielsweise bei Kombinationen mit Aramidfasern oder Produkten auf Kohlenstoffbasis. Wir beraten und können anschließend gleich die Muster verpressen und bewerten.“

Backen mit System

SelbststĂ€ndig gemacht hat sich Ulrich Hensellek 1997 mit einem ganz anderen Produkt, den „Wirktellern“. Das sind runde Kunststofftafeln, die in der Backindustrie eingesetzt werden und dazu dienen, den Teigklumpen durch Riefen und Mulden beim Rollen auf der Tafel festzuhalten und dem Teig eine Form zu geben, zum Beispiel fĂŒr Brötchen. Hier ist Karodur mittlerweile WeltmarktfĂŒhrer. „Mitte der 90er-Jahre suchte ich ein Gebiet, auf dem ich mich selbststĂ€ndig machen konnte und das mir die Möglichkeit gab, mich weiter mit dem Wasserstrahlschneiden zu beschĂ€ftigen. Die Backindustrie suchte nach alternativen Materialien fĂŒr die seit 100 Jahren bekannten Wirkteller aus Aluminium und Edelstahl. Das Problem bei diesen Materialien: Gewicht und Haltbarkeit. Waren die Wirkteller aus Stahl oder Alu nĂ€mlich durch unsachgemĂ€ĂŸe Behandlung verbogen, mussten sie aussortiert werden. Als Kunststoff-Spezialist bot ich Kunststoff an – der verbiegt sich nicht, ist extrem robust und leichter zu handhaben“, fasst Ulrich Hensellek zusammen. Die Wirkteller wurden so nicht nur leichter, auch die Produktionsschritte beim Backen reduzierte Karodur von sechs bis acht ArbeitsgĂ€ngen auf heute drei Schritte. Wie ein Brötchen von einem Karodur Wirkteller aussieht, kann man in Troisdorf bei einer großen BĂ€ckerei/Konditorei bewundern.
Und ausgeschnitten werden die Wirkteller – natĂŒrlich – auf den eigenen Wasserstrahlschneidanlagen.

Text und Fotos: Rainer Hardtke (Kompetenzzentrum Kunststoff)


TROWISTA
Pressemitteilung vom 26. Juni 2024, 15:36 h

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